Donnerstag, 16. Oktober 2014

Die NLB am Ende?



1999, 2008 und nun 2014? Erhält das Buch der Rückzüge des HC Martigny beziehungsweise des HC Red Ice ein neues Kapitel? Die Berner Zeitung bringt wieder einen Stein ins Rollen, der bereits seit der Sommerpause rollt. Nur war die Aufmerksamkeit dem Konkurs der Basler Sharks wegen nicht vorhanden. Dem HC Red Ice Martigny-Verbier-Entremont, wie der Unterwalliser Verein ausgeschrieben heisst, sollen nämlich die russischen Investoren abspringen. Bereits im Sommer war zu hören, dass weniger Geld in den Hockeyverein gesteckt werden soll. Diverse NLB-Topspieler (Mikhailov, Girardin, Sutter, Shastin, Grezet) liessen die Unterwalliser ziehen. Dank insgesamt fünf (!) B-Lizenzen konnte immerhin auf dem Papier gleichwohl eine konkurrenzfähige Mannschaft zusammengestellt werden. Der Schein trügt damit. Denn fünf Spieler mit B-Lizenzen sind bei einem Kader von neun Verteidigern und 14 Stürmern ziemlich viel. Insbesondere wenn zwei der B-lizenzierten (Borlat und Wick) wichtige Rollen einnehmen (beide in der 1. Linie, Einsätze in den Special Teams). Ob das sportlich langfristig gut gehen kann, ist daher völlig offen. Soll der Geldhahn tatsächlich komplett zugedreht werden, dann heisst es möglicherweise einmal mehr für einen NLB-Verein: Gute Nacht. Dabei behaupteten die seriösen Investoren bei ihrem Einstieg im Jahre 2010 langfristige Pläne zu verfolgen. Die NLA als Ziel, ja warum nicht sogar in die KHL, wie noch anfangs dieses Jahres fantasiert wurde. Jetzt soll dem doch wieder anders sein. Die russischen Investoren besitzen 70 Prozent der Aktien, vom Budget würden sie allerdings nur das Defizit abdecken, welches Ende Jahr entstehe und nicht durch Sponsoringbeiträge gedeckt werden könne. Im Frühling wurde der bisherige Geschäftsführer Andrei Nazheskin, ein Russe, durch Anders Olson, ein Schwede, ersetzt. Alles ein Schritt in Richtung Professionalisierung hiess es seitens der russischen Investoren. Trotz den Gerüchten über einen Rückzug der Russen blieb es also bisher ruhig - bis zum heutigen Artikel der Berner Zeitung. Der allerdings wie erwähnt keine Neuigkeiten im Vergleich zum Sommer hervorbringt. Der Zeitpunkt ist wohl einfach besser gewählt, als damals bei Sharks-Chaos. Und mit Aussagen von Ueli Schwarz wie "mit lediglich 8 Teams hätten wir Alarmstufe Dunkelrot erreicht" werden die Gerüchte natürlich auch nicht entschärft.

Eine andere Meldung
Gleichzeitig geht eine andere Meldung beinahe unter. Nämlich die, dass der HC Ajoie vergangenen Saison einen Verlust in der Höhe von 41'700 Franken zu verzeichnen hatte und sein Budget von 3,5 Millionen auf 2,84 Millionen senken musste. Der Verlust resultierte wegen dem Verpassen der Playoffs. Und er wäre weit höher ausgefallen, hätten die Spieler nicht selber bluten müssen - der Vertrag sah anscheinend eine Kürzung des Lohnes beim Verpassen der Playoffs vor. Trotzdem: sollten die Jurassier die Playoffs noch einmal verpassen, wäre es gar nicht auszudenken was das für Folgen haben können. Bereits so haben die Ajoulots nur noch ein Budget im hinteren Mittelfeld der NLB. Und das wird vorerst vermutlich auch so bleiben. Sich um Red Ice zu sorgen ist anhand der obigen Ausführungen daher ein wenig übertrieben. Die Anzeichen über einen Rückzug der Investoren verstärken sich nicht. Das Auseinanderfallen der NLB hingegen wird mit solchen Meldungen gleichwohl zusätzlich genährt. Zumindest Lösungsansätze ins Auge zu fassen, scheint daher unweigerlich ein Muss zu sein.

Zweiklassengesellschaft
Das Problem beziehungsweise der Fluch der zweithöchsten Liga des Schweizer Eishockeys wurde bereits nach dem Konkurs der Basler Sharks angesprochen. Bereits waren die ersten Personen (Jean-Marie Viaccoz) mit Ideen wie einer "Super-1.-Liga" zur Stelle. Die Liga selbst stärkte der NLB an der Vorsaisonkonferenz den Rücken. Ligapräsident Marc Furrer möchte ein Derby Langenthal-Olten nicht missen. Es zeigt sich aber länger wie mehr, dass die NLB zu einer Zweiklassengesellschaft verkommt. Gleichzeitig befindet sich die NLB zwischen Stuhl und Bank. Während seit Jahren moniert wird, dass ein Aufstieg in die NLA für NLB-Teams kaum möglich sei und ausserdem in einem finanziellen Abenteuer verbunden sein, beklagen die 1.-Liga-Vereine dasselbe, wenn sie in die NLB aufsteigen möchten. Keine Vereine von unten, und in der eigenen Liga sterben die Verein weg. Das ist wahrlich keine rosige Zukunft. Was die Zweiklassengesellschaft anbelangt: Olten, Langnau, Langenthal, Visp und eventuell noch La Chaux-de-Fonds stehen finanziell gesund da. Olten, Langnau und Visp haben regelmässig höhere Zuschauerzahlen zu präsentieren, die in manchen Runden sogar die von einigen NLA-Vereinen übertreffen (weit über 3000). Gerade einmal Langnau und neu Olten haben längerfristig ein NL-taugliches Stadion. Die Voyeboeuf in der Ajoie gleicht an manchen Stellen einer Wellblechhütte, das Forum in Martigny scheint ähnlich alt zu sein wie die römischen Ausgrabungen gleich nebenan und die Kunsteisbahn in Küsnacht ist nicht mehr als eine Trainingshalle.

Hochnäsigkeit
Der Plan von zwei 12-er Ligen ist anhand der heute vorhandenen Fakten unrealistischer denn je. Es fehlt schlichtweg das wirtschaftliche Potential dazu. Zwei Zehnerligen wie im Fussball wäre die perfekte Lösung, die leider hauptsächlich an den Ängsten der NLA-Vereine scheitert. Denn dafür müssten zwei NLA-Vertreter in die noch immer unbeliebte NLB absteigen. In die designierte Pleiteliga. Und dies obwohl Vereine wie Ambri regelmässig mit den Finanzen zu kämpfen haben. Ganz abgesehen von den fehlenden NL-tauglichen Stadion insbesondere in Genf und wiederum in Ambri. Es ist nur zu hoffen, dass die Hochnäsigkeit für gewisse NLA-Vereine nicht zum Boomerang wird - in ein paar Jahren könnten nämlich plötzlich nicht mehr NLB-Vereine, sondern NLA-Vereine wegen Finanz- und Stadionproblemen in den Schlagzeilen stehen. Das scheint aber weit weg zu sein. Das zeigt sich auch darin, dass die Langnauer trotz mässigem sportlichem Erfolg in der zweithöchsten Liga teilweise noch immer hochnäsig über die NLB reden. Das ist Zeugnis von der manifestierten, negativen Meinung über die NLB (zumindest in den Vereinsführungen). Das wird kaum zu ändern sein. Wenn die perfekte Lösung nicht möglich ist, gebe es noch die Variante einer geschlossenen NLA. Oder einem Konstrukt mit Farmteams in der NLB. Langnau, Langenthal, Visp, Olten und wohl auch La Chaux-de-Fonds werden da ganz sicher nicht mitmachen wollen. So würde nämlich die eigene Identität aufgegeben, die Fans würden zwangsläufig Abstand von den Vereinen nehmen. Die amerikanische Hockeykultur kann nicht einfach auf die schweizerische adaptiert werden. Die GCK Lions haben nicht nur wegen dem fehlenden Einzugsgebiet selten mehr als 200 Zuschauerinnen und Zuschauer. Immerhin füllten die Küsnachter früher ihre Halle regelmässig.

Sturm nach vorne
Zurück zur Aktualität: Die äusserst tiefen Zuschauerzahlen in Martigny (knapp über 600) könnten ein weiteres Indiz sein, dass sich die Investoren zurückziehen möchten. Vielleicht liegt es auch darin, dass ein Stadionneubau nicht voranschreitet. Der Grund sind sicher auch die Animositäten im Wallis, sich für Fusionen auszusprechen und somit die Kräfte zu bündeln. Im 2012 entstand die Idee Red Ice und Sierre zusammen zu führen. Unter anderem wegen heftiger Gegenwehr aus Sierre wurde davon abgelassen. In der Schweizer Hockeykultur funktionieren solche Spiele nun mal nicht - so wenig wie eine Farmteamliga. Egal wie kleinkarriert das ist, aber Kulturen sind nicht von heute auf morgen zu ändern (als Mini-Exkurs sei erwähnt, dass Red Bull dies mit dem Fussballclub Austria Salzburg versuchte. Neben Red Bull Salzburg existiert heute die Austria Salzburg ebenfalls (wieder): http://www.11freunde.de/video/das-fussballmaerchen-von-salzburg). Sierre ging ein Jahr später Konkurs und versucht seither in der 2. Liga einen Neuanfang. Die Zuschauerzahlen sind teilweise höher als vorher in der NLB (1719 gegen HC 3 Chêne). Selbst die Basler, die sich im 1. Ligisten EHC Basel Kleinhünigen wieder gefunden haben, haben mit 983 Zuschauern zuletzt gegen den EHC Burgdorf kaum weniger Zuschauer als in der NLB. Das Hockey ist in der Schweiz nicht auf verlorenem Posten. Nur denkt man zu gross. Zwei Zehnerligen im Profi- beziehungsweise Halbprofibereich sind das Maximum. Wird dies nicht angestrebt, kann es für Vereine wie Langnau, Olten, Langenthal oder Visp eigentlich nur eines geben: den Sturm nach vorne in die NLA - oder langfristig in einer NLB mit ungewisser Zukunft versauern. Denn geht die NLB unter, dann werden dies mit ihr auch die bis heute erfolgreichen NLB-Vereine tun. Eine automatische Integrierung in die NLA ist ein Wunschdenken.

Die aktuellen Artikel zu Red Ice:
http://www.bernerzeitung.ch/sport/hockey/Die-NLB--eine-tickende-Zeitbombe/story/18295995
http://www.bernerzeitung.ch/sport/hockey/Ich-mache-mir-Sorgen/story/26012214

Eine weiterer interessanter Artikel zu Red Ice:
http://www.nzz.ch/aktuell/sport/eishockey/russen-statt-roemer-1.17800407

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