Diskussionen über Reformen des Schweizer Eishockeys
beziehungsweise deren Ligen wiederkehren in etwa so oft wie Christian
Constantin in seinen besten Zeiten seine Trainer wechselte. So oft also, dass
beispielsweise Köbi Kölliker - aktuell Sportchef beim EHC Olten - sich schon
gar nicht mehr darüber den Kopf zerbricht. Zu oft wurde eine Idee angestossen,
zu oft geschah nichts. Selbst wenn die Schlagzeilen zu der Ligaversammlung vom
Mittwoch an relativ vielen Orten zu lesen sind, so überrascht es die Wenigsten,
dass die Entscheide an dieser Versammlung in etwa so prickelnd sind wie eine Cola,
die bereits seit einer Woche im Kühlschrank stand: süss anzuhören, aber völlig
fade im Geschmack! Dies, obwohl eine ernsthafte Diskussion über die
Ligenstrukturen nicht erst seit diesem Jahr von Nöten wäre. Aus Sicht der NLB
wäre sie im Moment besonders dringend, eine Liga höher ziert man sich darum,
dort läuft ja schliesslich alles wunderbar. Es verwundert daher nicht, dass
seit Saisonbeginn Ideen vor allem von Seiten von NLB-Vereinen kamen, sowie ein
paar halbherzige Denkanstösse von der Liga selbst. Die Liga kann sich
vorstellen eine Ausbildungsliga zu kreieren, welche klare Rahmenbedingungen
hätte, was Spieleralter, Anzahl Söldner sowie Ligagrösse anbelangt. Der
Vorschlag aus Martigny sah viel mehr ein Schwedisches System vor, mit weniger
Zwängen bezüglich Spielermaterial, dafür mit einer selbstständigen Vermarktung
der NLB durch die Vereine der zweithöchsten Liga (beides hier zu finden: 2.bp.blogspot.com/-cnnKp0HTR3Y/VEIWcgIcP1I/AAAAAAABGN0/GrrNwapl-uY/s1600/red-ice.gif ).
Eines der grössten Anliegen der NLB-Vereine ist seit jeher die grössere
Durchlässigkeit zwischen der NLA und der NLB, ja bei manchen inklusive der
Durchlässigkeit zwischen der NLB und der 1. Liga. Unvergessen als 2007 ganz
Biel "Liga-Mafia" schrie und der Verein sogar rechtlich gegen das
Auf-/Abstiegssystem vorging - erfolglos. Es ist leider auch wenig
verwunderlich, dass die Vorkämpfer für eine starke NLB und mehr Durchlässigkeit
zwischen den Ligen seit ihrem Aufstieg von ihre Pionierarbeit anscheinend
nichts mehr wissen wollen. Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern,
wenn ich das, was ich haben will auch so bekommen habe.
Wer
wirtschaftet besser?
Es war also klar, dass das Vorhaben der NLB (ohne die GCK
Lions) an der Ligaversammlung scheitern würde. Die A-Vereine stehen im Moment
viel zu gut da, die Arroganz ist enorm - dies ist schon nur anhand der Fanforen
zu erkennen. Von "Pleiteliga" wird gesprochen oder als
"Trostpreisliga" wird die NLB beschimpft. Dies vor allem wegen den
zahlreichen Konkursen in den vergangenen Jahre. Die kamen durch den Absprung
von Mäzenen (Chur), Misswirtschaft (Sierre, Morges, Martigny), aufgrund
inkompetentem Führungspersonal (Basel) oder wegen ausbleibenden Versprechen
(Neuenburg) zustande. Die Wenigsten wollen aber die Begründungen für die finanziellen
Kollapse wissen, denn dann müsste man sich mit dem System ernsthaft
auseinandersetzen und merken, dass selbst in der NLA etwas krank ist.
Wer
nämlich auf die vorhandenen Jahresabschlüsse der Vereine aus der NLA und der
NLB blickt, muss unweigerlich feststellen, dass in der NLB anscheinend
erfolgreicher und schlanker gewirtschaftet wird. Dank einem Kollegen steht mir
diese aus meiner Sicht interessante Zusammenstellung zur Verfügung (die Zahlen
von Lausanne, Genf, sowie Red Ice und GCK (ist im ZSC-Budget integriert)
fehlen). Es ist augenfällig, dass mit Ausnahme vom SCB kein einziger NLA-Verein
profitabel ist. Die Kloten Flyers weisen zwar einen Gewinn von 200'000 Franken
aus, dies aber nur weil der operative Verlust von über drei Millionen Franken
vom guten Geiste Gaydoul ohne mit den Wimpern zu Zucken gedeckt wurde. In der
"Pleiteliga" sind es immerhin fünf Vereine, die schwarze Zahlen
schreiben konnten. Vereine wie Olten und Visp zum wiederholten Mal! Kommt
hinzu, dass in der NLB kein einziger Verein einen Mäzen hinter sich weiss
(ausser Ajoie mit der Tabakindustrie). In der NLA sind es immerhin drei Vereine
(Lugano, ZSC Lions und Kloten Flyers), Davos wäre ohne den Spenglercup längst
pleite und in Rapperswil sorgen ein paar potente Verwaltungsräte, dass der
Zirkus nicht in die Knie gezwungen wird (welch originelles Wortspiel). Ambri
lebt im Weiteren von seinem Kultstatus, schleppt aber bereits seit Jahren ein
strukturelles Millionendefizit mit sich und bettelt in regelmässigen Abständen
bei seinen Anhängern. Ausserdem werden neue NHL-Söldner verpflichtet, während
der Verein anscheinend gleichzeitig finanziellen Verpflichtungen nicht
nachkommt - dies musste ein Spieleragent kürzlich verwundert zu Kenntnis
nehmen. Aber das verzeiht man Ambri, es ist ja schliesslich ein Kultverein.
Diese Darstellung zeigt, dass die NLB-Vereine
unterdessen äusserst realistisch und rational denken und handeln. Dass man sich
in Martigny ernsthaft überlegt, sich auf kommende Saison aus dem Spielbetrieb
zurück zu ziehen, hat nichts mit Misswirtschaft, sondern mit Weitsichtigkeit zu
tun. Der Verein will nicht Geld in die Wüste pumpen und gleichzeitig
feststellen müssen, dass sich das Aufrechterhalten eines Vereins nie auszahlen
wird beziehungsweise keine genügend grosse Akzeptanz in der Region zu finden
ist. Es wir ehrlich gewirtschaftet in der NLB, etwas was mit Bestimmtheit nicht
immer der Fall war, aber die Vereine haben gelernt. Dies kann von der NLA nicht
behauptet werden und sie nehmen die Zeichen der Zeit anscheinend nicht oder
ungenügend zur Kenntnis.
Preistreiberei
In der NLA jagen sich die Teams mit immer höheren Budgets
in ungeahnte Sphären ohne die Gefahren dahinter zu sehen. Die NLA profitiert
logischerweise von der grossen Werbeplattform und kann dort einiges an Ausgaben
kompensieren. Aber ehrlich gesagt, würde dem Schweizer System eine grössere
Transparenz gut tun. Gute Schweizer Spieler erhalten heute so hohe Löhne, dass anscheinend
bereits gleich starke Söldner günstiger zu finden sind. Das ist nur möglich,
weil in der Schweiz eine Preistreiberei stattfindet. Bereits vor ein paar
Jahren kam mir zu Ohren, wie ein Vereinsfunktionär meinte, wir bieten um diesen
Spieler einfach mit, damit sich der Preis erhöht. Das andere Team, welches den
besagten Spieler unbedingt verpflichten wollte, habe dies kürzlich bei einem
anderen Spieler auch gemacht. Der Verein und dessen Funktionär hatten keine
Interesse an einer Verpflichtung, sondern nur daran, dass der andere Verein möglichst
tief in die Taschen greifen muss. Und solange wandelnde Geldbeutel wie Gaydoul
oder Mantegazza existieren, werden beinahe alle Preise bezahlt. Lohntransparenz
ist in der Schweiz ein Unding. Dabei würde es dem System gut tun. Denn ausser
dem SCB und vielleicht noch den ZSC Lions sowie dem HC Lausanne ist in der
Schweiz kaum ein Verein fähig ein Budget von über 15 Millionen Schweizer Franken
ohne Mäzen im Rücken zu stemmen. Der SCB hat ein einmaliges System aufgestellt,
die ZSC Lions könnten da mithalten, wenn sie in ihrem Stadion über sämtliche
Einnahmen verfügen könnten. Und in Lausanne ist die Hockeybegeisterung sowie
das wirtschaftliche Potential gross. Es wurde stets behauptet, dass wenn in
Lausanne der sportliche Erfolg vorhanden sei, eine miese Führung am Werk sei
und umgekehrt. Momentan scheint aber endlich beides zu passen. Alle anderen
Vereine können solche Budgets nicht annähernd ohne Mäzen, ohne Spezialturnier oder
überaus grosszügigen Verwaltungsräten im Rücken stemmen. Visp, La
Chaux-de-Fonds, Olten, Langnau, Langenthal, Hockey Thurgau und Red Ice haben
keinen Mäzen im Rücken. Im Thurgau hat es ein paar potente Verwaltungsräte, in
Langenthal ausgabenfreudige Sponsoren, was im Vergleich zur NLA aber äusserst
bescheiden erscheint. Langnau, Olten, Visp und Langenthal orientieren sich um ein
Budget von fünf Millionen. Olten, Langnau, Visp und eventuell La Chaux-de-Fonds
können wohl zwischen sechs und acht Millionen stemmen - ohne Mäzen, ohne auf einen
einzigen Verwaltungsrat zählen zu müssen, ohne Spezialturnier, ohne
Bettelaktionen bei den Fans.
Realismus
contra Arroganz
Die NLB-Vereine haben mehrfach einen Konkurrenten zu
Grabe tragen müssen. Dadurch wurden die B-Vereine anscheinend realistischer in
ihrem Handeln. Gleichzeitig plagen manche NLA-Vereine noch immer irrwitzige
Phantasien. Unlängst wurde behauptet, dass einige A-Vereine sich durchaus
vorstellen könnten ein Farmteam zu führen, beziehungsweise einen willigen
Erstligisten mit Spielermaterial in der NLB auszuhelfen. Da stellt sich die
Frage, ob bei diesen Vereinen Kinder am Werk sind, die noch an den Osterhasen
glauben. Die ZSC Lions sind die einzige Organisation, die seit Jahren
"erfolgreich" ein Farmteam führen. Der Spass kostet rund eine Million
Schweizer Franken im Jahr. Walter Frey findet das System gut, daher steckt er
das Geld auch gerne in das Goldküstenteam. So löblich wie Walter Frey würde sich
kein NLA-Verein oder dessen Vertreter verhalten. Partnerschaften wurden in der
Vergangenheit oft mit den Füssen getreten. Der EHC Olten hatte dereinst genug
von solchen Spielchen, als Spielermaterial aus Fribourg versprochen wurde, aber
nur selten dem EHCO zur Verfügung stand. Das traurigste Kapitel in dieser
Beziehung schrieben der SCB, Ambri und Fribourg zusammen. Als die Young
Sprinters aus Neuenburg 2007 in die NLB aufstiegen, sahen die drei genannten
A-Vereine in den Neuenburgern einen idealen Park- und Ausbildungsplatz für
aktuell überschüssiges Spielermaterial. Der SCB alimentierte die Young
Sprinters zuerst auch. Nach zwei Saisons liess man die Neuenburger wie eine
heisse Kartoffel fallen, die anderen Vereine zeigten sich nicht weniger
arrogant - der Verein ging bekanntlich bankrott. Anhand der oben aufgelisteten Zahlen
sollte ausserdem jedem einleuchten, dass ausser vielleicht dem SCB kein Verein
ein Farmteam finanziell stemmen kann. Kommt hinzu, dass ein Farmteam beinahe
komplett unrentabel ist, da für einen solchen Spass in der Schweiz nur schwer
Sponsoren gefunden werden können und die Zuschauer weg bleiben (ist bei den GCK
Lions so, war bei den Young Sprinters so). Es wiederspiegelt aber wunderschön
die Arroganz und Selbstherrlichkeit der NLA. Die ist zwar nicht neu, denn vor
Jahren meinte ein NLA-Verwaltungsrat, dass eine geschlossene NLA das beste wäre,
damit ein Verein auch einmal in aller Ruhe einen Neustart wagen könnte - das
war notabene ein Wirtschaftsfachmann und der wollte den Wettbewerb verhindern
und somit ein Monopol errichten. Wenn das nicht weltfremd ist. Wer den
Vergleich mit Amerika heranziehen soll, dem sei gesagt, dass dies wiederum kulturfremd
und somit ein anderes Thema ist.
Das Ende der
NLB?
So hart es klingen mag, aber der NLA fehlt ein
selbstheilender Super-Gau. Es würde der Liga gut tun, würde plötzlich einer der
ihren Konkurs anmelden. Nur damit es klar ist: das wünsche ich mir nicht und
das wünsche ich keinem Verein. Aber anhand der Aussagen und dem Gebaren der
Vereine erscheint nur über diesen Weg eine selbstheilende Wirkung zu erzielen
zu sein und nur so besteht die Möglichkeit sich vielleicht auf die Idee von
zwei starken Zehnerligen zurück zu besinnen. Nur bei einem Super-Gau beginnen
sich auch die A-Vereine wieder zu hinterfragen, nur dann stellen plötzlich auch
sie das System in Frage. Denn klar, im Moment gibt es aus ihrer Sicht nichts zu
ändern. Es klappt alles prima. Die Frage ist nur, wie gut klappt es, wenn es
beispielsweise keine NLB mehr gibt? Die A-Vereine kennen die zweite Liga zu
wenig und darum messen sie ihr auch keine Bedeutung zu, sondern nennen sie
lieber "Pleiteliga" (Lausanne und Biel wurden mit diesem Virus kurz
nach dem Aufstieg angesteckt). Dabei wäre diese Liga mit entsprechender Durchlässigkeit
und in beiden Ligen realistischen Budgets kein selbstprophezeiter Selbstmord
für einen Absteiger. Die Wirtschaftlichkeit ist in der NLB nämlich durchaus
vorhanden, die sportliche Herausforderung ebenfalls - wenn die Knebelverträge
nicht einfach nur für die A-Vereine ausgelegt würden, sondern auch die NLB
davon profitieren könnte. Es erscheint rational, von einem anscheinend
erfolgreichen Produkt nicht abweichen zu wollen. Es ist aber engstirnig, sich
nicht mit der Zukunft auseinander zu setzen. Denn die NLA kann nur dank einer
guten NLB so stark sein. Diese Einsicht fehlt. Und diese Arroganz kann leider
nur mit dem angesprochenen Super-Gau gebrochen werden. Dies wird wohl kaum
geschehen. Die NLB wird verkümmern, wer Glück hat, erwischt noch den Lift nach
oben und langfristig wird das Niveau im Schweizer Hockey sinken.
Schwarzmalerei? Ich behaupte: Realismus, wie ihn ein NLB-Kind besitzt.