Mittwoch, 19. November 2014

Hochmut kommt vor dem Fall



Diskussionen über Reformen des Schweizer Eishockeys beziehungsweise deren Ligen wiederkehren in etwa so oft wie Christian Constantin in seinen besten Zeiten seine Trainer wechselte. So oft also, dass beispielsweise Köbi Kölliker - aktuell Sportchef beim EHC Olten - sich schon gar nicht mehr darüber den Kopf zerbricht. Zu oft wurde eine Idee angestossen, zu oft geschah nichts. Selbst wenn die Schlagzeilen zu der Ligaversammlung vom Mittwoch an relativ vielen Orten zu lesen sind, so überrascht es die Wenigsten, dass die Entscheide an dieser Versammlung in etwa so prickelnd sind wie eine Cola, die bereits seit einer Woche im Kühlschrank stand: süss anzuhören, aber völlig fade im Geschmack! Dies, obwohl eine ernsthafte Diskussion über die Ligenstrukturen nicht erst seit diesem Jahr von Nöten wäre. Aus Sicht der NLB wäre sie im Moment besonders dringend, eine Liga höher ziert man sich darum, dort läuft ja schliesslich alles wunderbar. Es verwundert daher nicht, dass seit Saisonbeginn Ideen vor allem von Seiten von NLB-Vereinen kamen, sowie ein paar halbherzige Denkanstösse von der Liga selbst. Die Liga kann sich vorstellen eine Ausbildungsliga zu kreieren, welche klare Rahmenbedingungen hätte, was Spieleralter, Anzahl Söldner sowie Ligagrösse anbelangt. Der Vorschlag aus Martigny sah viel mehr ein Schwedisches System vor, mit weniger Zwängen bezüglich Spielermaterial, dafür mit einer selbstständigen Vermarktung der NLB durch die Vereine der zweithöchsten Liga (beides hier zu finden: 2.bp.blogspot.com/-cnnKp0HTR3Y/VEIWcgIcP1I/AAAAAAABGN0/GrrNwapl-uY/s1600/red-ice.gif ). Eines der grössten Anliegen der NLB-Vereine ist seit jeher die grössere Durchlässigkeit zwischen der NLA und der NLB, ja bei manchen inklusive der Durchlässigkeit zwischen der NLB und der 1. Liga. Unvergessen als 2007 ganz Biel "Liga-Mafia" schrie und der Verein sogar rechtlich gegen das Auf-/Abstiegssystem vorging - erfolglos. Es ist leider auch wenig verwunderlich, dass die Vorkämpfer für eine starke NLB und mehr Durchlässigkeit zwischen den Ligen seit ihrem Aufstieg von ihre Pionierarbeit anscheinend nichts mehr wissen wollen. Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, wenn ich das, was ich haben will auch so bekommen habe.

Wer wirtschaftet besser?
Es war also klar, dass das Vorhaben der NLB (ohne die GCK Lions) an der Ligaversammlung scheitern würde. Die A-Vereine stehen im Moment viel zu gut da, die Arroganz ist enorm - dies ist schon nur anhand der Fanforen zu erkennen. Von "Pleiteliga" wird gesprochen oder als "Trostpreisliga" wird die NLB beschimpft. Dies vor allem wegen den zahlreichen Konkursen in den vergangenen Jahre. Die kamen durch den Absprung von Mäzenen (Chur), Misswirtschaft (Sierre, Morges, Martigny), aufgrund inkompetentem Führungspersonal (Basel) oder wegen ausbleibenden Versprechen (Neuenburg) zustande. Die Wenigsten wollen aber die Begründungen für die finanziellen Kollapse wissen, denn dann müsste man sich mit dem System ernsthaft auseinandersetzen und merken, dass selbst in der NLA etwas krank ist.
Wer nämlich auf die vorhandenen Jahresabschlüsse der Vereine aus der NLA und der NLB blickt, muss unweigerlich feststellen, dass in der NLB anscheinend erfolgreicher und schlanker gewirtschaftet wird. Dank einem Kollegen steht mir diese aus meiner Sicht interessante Zusammenstellung zur Verfügung (die Zahlen von Lausanne, Genf, sowie Red Ice und GCK (ist im ZSC-Budget integriert) fehlen). Es ist augenfällig, dass mit Ausnahme vom SCB kein einziger NLA-Verein profitabel ist. Die Kloten Flyers weisen zwar einen Gewinn von 200'000 Franken aus, dies aber nur weil der operative Verlust von über drei Millionen Franken vom guten Geiste Gaydoul ohne mit den Wimpern zu Zucken gedeckt wurde. In der "Pleiteliga" sind es immerhin fünf Vereine, die schwarze Zahlen schreiben konnten. Vereine wie Olten und Visp zum wiederholten Mal! Kommt hinzu, dass in der NLB kein einziger Verein einen Mäzen hinter sich weiss (ausser Ajoie mit der Tabakindustrie). In der NLA sind es immerhin drei Vereine (Lugano, ZSC Lions und Kloten Flyers), Davos wäre ohne den Spenglercup längst pleite und in Rapperswil sorgen ein paar potente Verwaltungsräte, dass der Zirkus nicht in die Knie gezwungen wird (welch originelles Wortspiel). Ambri lebt im Weiteren von seinem Kultstatus, schleppt aber bereits seit Jahren ein strukturelles Millionendefizit mit sich und bettelt in regelmässigen Abständen bei seinen Anhängern. Ausserdem werden neue NHL-Söldner verpflichtet, während der Verein anscheinend gleichzeitig finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommt - dies musste ein Spieleragent kürzlich verwundert zu Kenntnis nehmen. Aber das verzeiht man Ambri, es ist ja schliesslich ein Kultverein.
Diese Darstellung zeigt, dass die NLB-Vereine unterdessen äusserst realistisch und rational denken und handeln. Dass man sich in Martigny ernsthaft überlegt, sich auf kommende Saison aus dem Spielbetrieb zurück zu ziehen, hat nichts mit Misswirtschaft, sondern mit Weitsichtigkeit zu tun. Der Verein will nicht Geld in die Wüste pumpen und gleichzeitig feststellen müssen, dass sich das Aufrechterhalten eines Vereins nie auszahlen wird beziehungsweise keine genügend grosse Akzeptanz in der Region zu finden ist. Es wir ehrlich gewirtschaftet in der NLB, etwas was mit Bestimmtheit nicht immer der Fall war, aber die Vereine haben gelernt. Dies kann von der NLA nicht behauptet werden und sie nehmen die Zeichen der Zeit anscheinend nicht oder ungenügend zur Kenntnis.

Preistreiberei
In der NLA jagen sich die Teams mit immer höheren Budgets in ungeahnte Sphären ohne die Gefahren dahinter zu sehen. Die NLA profitiert logischerweise von der grossen Werbeplattform und kann dort einiges an Ausgaben kompensieren. Aber ehrlich gesagt, würde dem Schweizer System eine grössere Transparenz gut tun. Gute Schweizer Spieler erhalten heute so hohe Löhne, dass anscheinend bereits gleich starke Söldner günstiger zu finden sind. Das ist nur möglich, weil in der Schweiz eine Preistreiberei stattfindet. Bereits vor ein paar Jahren kam mir zu Ohren, wie ein Vereinsfunktionär meinte, wir bieten um diesen Spieler einfach mit, damit sich der Preis erhöht. Das andere Team, welches den besagten Spieler unbedingt verpflichten wollte, habe dies kürzlich bei einem anderen Spieler auch gemacht. Der Verein und dessen Funktionär hatten keine Interesse an einer Verpflichtung, sondern nur daran, dass der andere Verein möglichst tief in die Taschen greifen muss. Und solange wandelnde Geldbeutel wie Gaydoul oder Mantegazza existieren, werden beinahe alle Preise bezahlt. Lohntransparenz ist in der Schweiz ein Unding. Dabei würde es dem System gut tun. Denn ausser dem SCB und vielleicht noch den ZSC Lions sowie dem HC Lausanne ist in der Schweiz kaum ein Verein fähig ein Budget von über 15 Millionen Schweizer Franken ohne Mäzen im Rücken zu stemmen. Der SCB hat ein einmaliges System aufgestellt, die ZSC Lions könnten da mithalten, wenn sie in ihrem Stadion über sämtliche Einnahmen verfügen könnten. Und in Lausanne ist die Hockeybegeisterung sowie das wirtschaftliche Potential gross. Es wurde stets behauptet, dass wenn in Lausanne der sportliche Erfolg vorhanden sei, eine miese Führung am Werk sei und umgekehrt. Momentan scheint aber endlich beides zu passen. Alle anderen Vereine können solche Budgets nicht annähernd ohne Mäzen, ohne Spezialturnier oder überaus grosszügigen Verwaltungsräten im Rücken stemmen. Visp, La Chaux-de-Fonds, Olten, Langnau, Langenthal, Hockey Thurgau und Red Ice haben keinen Mäzen im Rücken. Im Thurgau hat es ein paar potente Verwaltungsräte, in Langenthal ausgabenfreudige Sponsoren, was im Vergleich zur NLA aber äusserst bescheiden erscheint. Langnau, Olten, Visp und Langenthal orientieren sich um ein Budget von fünf Millionen. Olten, Langnau, Visp und eventuell La Chaux-de-Fonds können wohl zwischen sechs und acht Millionen stemmen - ohne Mäzen, ohne auf einen einzigen Verwaltungsrat zählen zu müssen, ohne Spezialturnier, ohne Bettelaktionen bei den Fans.

Realismus contra Arroganz
Die NLB-Vereine haben mehrfach einen Konkurrenten zu Grabe tragen müssen. Dadurch wurden die B-Vereine anscheinend realistischer in ihrem Handeln. Gleichzeitig plagen manche NLA-Vereine noch immer irrwitzige Phantasien. Unlängst wurde behauptet, dass einige A-Vereine sich durchaus vorstellen könnten ein Farmteam zu führen, beziehungsweise einen willigen Erstligisten mit Spielermaterial in der NLB auszuhelfen. Da stellt sich die Frage, ob bei diesen Vereinen Kinder am Werk sind, die noch an den Osterhasen glauben. Die ZSC Lions sind die einzige Organisation, die seit Jahren "erfolgreich" ein Farmteam führen. Der Spass kostet rund eine Million Schweizer Franken im Jahr. Walter Frey findet das System gut, daher steckt er das Geld auch gerne in das Goldküstenteam. So löblich wie Walter Frey würde sich kein NLA-Verein oder dessen Vertreter verhalten. Partnerschaften wurden in der Vergangenheit oft mit den Füssen getreten. Der EHC Olten hatte dereinst genug von solchen Spielchen, als Spielermaterial aus Fribourg versprochen wurde, aber nur selten dem EHCO zur Verfügung stand. Das traurigste Kapitel in dieser Beziehung schrieben der SCB, Ambri und Fribourg zusammen. Als die Young Sprinters aus Neuenburg 2007 in die NLB aufstiegen, sahen die drei genannten A-Vereine in den Neuenburgern einen idealen Park- und Ausbildungsplatz für aktuell überschüssiges Spielermaterial. Der SCB alimentierte die Young Sprinters zuerst auch. Nach zwei Saisons liess man die Neuenburger wie eine heisse Kartoffel fallen, die anderen Vereine zeigten sich nicht weniger arrogant - der Verein ging bekanntlich bankrott. Anhand der oben aufgelisteten Zahlen sollte ausserdem jedem einleuchten, dass ausser vielleicht dem SCB kein Verein ein Farmteam finanziell stemmen kann. Kommt hinzu, dass ein Farmteam beinahe komplett unrentabel ist, da für einen solchen Spass in der Schweiz nur schwer Sponsoren gefunden werden können und die Zuschauer weg bleiben (ist bei den GCK Lions so, war bei den Young Sprinters so). Es wiederspiegelt aber wunderschön die Arroganz und Selbstherrlichkeit der NLA. Die ist zwar nicht neu, denn vor Jahren meinte ein NLA-Verwaltungsrat, dass eine geschlossene NLA das beste wäre, damit ein Verein auch einmal in aller Ruhe einen Neustart wagen könnte - das war notabene ein Wirtschaftsfachmann und der wollte den Wettbewerb verhindern und somit ein Monopol errichten. Wenn das nicht weltfremd ist. Wer den Vergleich mit Amerika heranziehen soll, dem sei gesagt, dass dies wiederum kulturfremd und somit ein anderes Thema ist.

Das Ende der NLB?
So hart es klingen mag, aber der NLA fehlt ein selbstheilender Super-Gau. Es würde der Liga gut tun, würde plötzlich einer der ihren Konkurs anmelden. Nur damit es klar ist: das wünsche ich mir nicht und das wünsche ich keinem Verein. Aber anhand der Aussagen und dem Gebaren der Vereine erscheint nur über diesen Weg eine selbstheilende Wirkung zu erzielen zu sein und nur so besteht die Möglichkeit sich vielleicht auf die Idee von zwei starken Zehnerligen zurück zu besinnen. Nur bei einem Super-Gau beginnen sich auch die A-Vereine wieder zu hinterfragen, nur dann stellen plötzlich auch sie das System in Frage. Denn klar, im Moment gibt es aus ihrer Sicht nichts zu ändern. Es klappt alles prima. Die Frage ist nur, wie gut klappt es, wenn es beispielsweise keine NLB mehr gibt? Die A-Vereine kennen die zweite Liga zu wenig und darum messen sie ihr auch keine Bedeutung zu, sondern nennen sie lieber "Pleiteliga" (Lausanne und Biel wurden mit diesem Virus kurz nach dem Aufstieg angesteckt). Dabei wäre diese Liga mit entsprechender Durchlässigkeit und in beiden Ligen realistischen Budgets kein selbstprophezeiter Selbstmord für einen Absteiger. Die Wirtschaftlichkeit ist in der NLB nämlich durchaus vorhanden, die sportliche Herausforderung ebenfalls - wenn die Knebelverträge nicht einfach nur für die A-Vereine ausgelegt würden, sondern auch die NLB davon profitieren könnte. Es erscheint rational, von einem anscheinend erfolgreichen Produkt nicht abweichen zu wollen. Es ist aber engstirnig, sich nicht mit der Zukunft auseinander zu setzen. Denn die NLA kann nur dank einer guten NLB so stark sein. Diese Einsicht fehlt. Und diese Arroganz kann leider nur mit dem angesprochenen Super-Gau gebrochen werden. Dies wird wohl kaum geschehen. Die NLB wird verkümmern, wer Glück hat, erwischt noch den Lift nach oben und langfristig wird das Niveau im Schweizer Hockey sinken. Schwarzmalerei? Ich behaupte: Realismus, wie ihn ein NLB-Kind besitzt.